Christian Bahr Steuerberater

Bleckede 

Infothek

Zurück zur Übersicht
Recht / Zivilrecht 
Donnerstag, 23.01.2025

Anwältin hätte über neue Rechtslage im Verfahren aufklären müssen - Haftung für Entstehung von Mehrkosten

Wenn sich die rechtliche Ausgangslage im Laufe des Verfahrens verändert, weil die zentrale Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof geklärt wird, und wenn das Gericht darauf hinweist, muss eine Rechtsanwältin ihre Mandantin über die damit veränderten Erfolgsaussichten aufklären. Unterbleibt dies und wird ein aussichtloses Verfahren fortgeführt, haftet die Anwältin gegenüber einem Rechtsschutzversicherer auf die dadurch entstandenen Mehrkosten. Das entschied das Oberlandesgericht Frankfurt (Az. 3 U 193/23).

In einem Verfahren zum Widerruf eines Kreditvertrags hatte die Anwältin für ihre Mandantin Berufung eingelegt. Wie schon für die erste Instanz hatte die Mandantin hierfür eine Deckungszusage von ihrer Rechtsschutzversicherung erhalten. Noch vor Entscheidung über die Berufung entschied jedoch der Bundesgerichtshof in einer zentralen Rechtsfrage betreffend den Widerruf von Kreditverträgen, sodass die Berufung letztlich aussichtslos wurde. Obwohl das Oberlandesgericht die Anwältin auf die nunmehr fehlenden Aussichten der Berufung hinwies, reagierte diese nicht. Schließlich wies das Oberlandesgericht die Berufung zurück. Die Rechtsschutzversicherung behauptet nun, das gesamte Berufungsverfahren sei aussichtslos gewesen und verlangt die vollen ca. 15.500 Euro an Prozesskosten von der Anwältin zurück. Vor dem Landgericht Frankfurt hatte sie mit dieser Ansicht noch Erfolg.

Das Oberlandesgericht hingegen wies dies Klage ab, soweit sie die entstandenen Kosten betraf, die vor dem Hinweis des Berufungsgerichts auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs schon angefallen waren. Lediglich knapp 2.300 Euro müsse die Anwältin zahlen, weil sie diese Mehrkosten schuldhaft verursacht habe. Die ursprüngliche Einlegung der Berufung hingegen sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem es zur entscheidenden Rechtsfrage noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gegeben habe. Deswegen hätte die Anwältin ihrer Mandantin damals auch nicht von einer Berufung abraten müssen. Nach der Mitteilung des Oberlandesgerichts über den Beschluss des Bundesgerichtshofs jedoch hätte die Anwältin reagieren und ihre Mandantin über die nunmehrige Aussichtslosigkeit aufklären und zu einer Rücknahme der Berufung raten müssen. Verändere sich die rechtliche oder tatsächliche Ausgangslage im Laufe des Verfahrens, müsse über eine damit verbundene Verschlechterung der Erfolgsaussichten aufgeklärt werden. Der unterlassene Rat zur Rücknahme der Berufung sei auch kausal für den Anfall von zwei weiteren Gerichtsgebühren. Trotz der bestehenden Rechtsschutzversicherung der Mandantin greife insoweit die Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens – also, dass die Mandantin dem Rat ihrer Anwältin gefolgt wäre. Schließlich hätten nach höchstrichterlicher Klärung aller streitigen Rechtsfragen keinerlei Erfolgsaussichten mehr bestanden.

Zurück zur Übersicht

Die Fachnachrichten in der Infothek werden Ihnen von der Redaktion Steuern & Recht der DATEV eG zur Verfügung gestellt.